Umrissene Welten: Saidou Dicko

14 September - 29 Oktober 2022 Berlin

Saidou Dicko, geboren 1979 in Burkina Faso, hat früh verstanden, dass Wolken nicht nur am Himmel zu sehen sind. Als junger Fulani-Hirte blickt er in den roten Sahel-Sand und zeichnet die Schatten nach, die er sieht. Zunächst die Umrisse seiner Schafe, später werden daraus die Silhouetten von Menschen, die er auf Häuserwänden oder den farbigen Stoffen seiner Mutter festhält. Die Schatten bleiben ein Stilmittel, dem er bis heute bei der visuellen Erzählung seiner Geschichten - ob in Fotografie, Video, Installationen oder Malerei - treu bleibt. 

 

As a child, I looked at them (shadows) the way others look at clouds, and invented stories. It started by drawing on the floor and walls, then on fabrics that my mother embroidered,”

 

In seiner frühen Werkserie THE SHADOW THIEF verfolgt er seine Familie und Freunde mit der Handy-Kamera und zeichnet so deren Weg nach. Doch raubt der Schattendieb den Personen mit den oft perspektivisch gebrochenen Silhouetten keinesfalls deren Identität. Für den Künstler geht es mit dieser Entfremdung vielmehr darum, näher an den Gestus der Menschen heranzukommen und die Rolle von kindlichem Spiel, harter Arbeit, oder familiären Zusammenhang zu betonen. 

 

Zugleich lenkt die Abstraktion die Aufmerksamkeit auf die sozialen Zusammenhänge, in denen sich die jeweilige Szene abspielt: Wir sehen die Figuren an Tankstellen, vor einfachen Häusern sitzend oder auf dem Fahrrad durch die Hauptstadt Ouagadougou fahrend. 

 

Inzwischen selbst in Paris lebend und arbeitend, geht Dicko in seinen neuen Werken noch einen Schritt weiter. Er taucht die Figuren auf den Fotografien in dickes schwarzes Öl und schafft so eine weitere physische Ebene des Bildes. Die Anonymisierung der Personen durch dicken Pinselstrich möchte individuelle Kriterien der abgebildeten Protagonisten (wie Alter, Wohlstand, Glauben) weiter nivellieren, dargestellt durch dynamische Komposition vor dem Hintergrund bunter Textilien, die ihn zurück an die Anfänge seines künstlerischen Werdegangs bringen. Eine Bildwelt, in der die Menschen weit mehr als nur Schatten sind.